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Mit den ungewöhnlichen Wireless In-Ear-Headphones wagt Sony ein Experiment – das fast perfekt gelingt.

Sony hat die Kopfhörer gelocht: Die LinkBuds sind offen gebaut, um beim Musikhören akustischen Kontakt zur Außenwelt zu halten

Mit den LinkBuds (179 Euro UVP) geht Sony gleich 2-mal neue Wege. Erstens: Es sind die ersten In-Ear-Kopfhörer mit Loch. So sollen Umgebungsgeräusche hörbar bleiben. Zweitens: Sony gibt ihnen mit LinkBuds einen Namen, den man sich auch merken kann – im Gegensatz zu früheren Modellen, wie WF-1000XM4 und WH-1000XM4.

Der Name hat trotzdem Erklärbedarf, denn man kann die Kopfhörer weder zusammenklipsen, noch mit mehreren Geräten gleichzeitig verbinden. Das „Link“ steht laut Sony dafür, dass die Träger*in stets in Verbindung mit der Außenwelt steht. Die weniger romantische Erklärung ist wohl, dass bereits ein anderer Hersteller Kopfhörer mit dem Namen „RingBuds“ im Sortiment hat und „HoleBuds“ dank des Internet eine andere Bedeutung hat (nicht in der Arbeit danach googlen).

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Gehäuse aus recyceltem Plastik

Die LinkBuds gibt es in schwarz und weiß. Ich habe von Sony die weiße Variante zum Testen bekommen. Ladecase und Kopfhörer haben einen Öko-Look. Das Weiß ist nicht reinweiß und hat kleine dunkle Punkte. Dieses Recycling-Papier-Design ist Absicht, denn das Plastik der Gehäuse von Case und Hörer nutzen zu 100 Prozent recyceltes Plastik.

Die Recycling-Papierpunkte für den Öko-Look kommen allerdings von zugemischtem Mica. Ob das Mineral auch aus Recycling-Prozessen gewonnen wurde, hat Sony nicht verraten. Die LinkBuds sehen dadurch zwar gut aus, aber wenn extra Mica in indischen oder chinesischen Minen abgebaut wird, um recyceltes Plastik „grüner“ wirken zu lassen, ist das absurd.

Leicht und klein

Im Gegensatz zu Sonys Premium-Wireless-In-Ear-Kopfhörern WF-1000XM4, wird das Gehäuse der LinkBuds mit einem Knopfdruck entriegelt. Der Deckel springt per Federdruck auf, was ein netter Effekt ist.

Sofort fällt auf, wie klein und kompakt die LinkBuds sind. Sie wiegen lediglich 4,1 Gramm. Das sind 44 Prozent weniger als die WF-1000XM4. Sie sind auch viel kleiner – und haben ein Loch in der Mitte an der Stelle, die normalerweise das Ohr zustopft.

Auf die Größe kommt es an

Bevor man sich mit den LinkBuds nach draußen wagt, sollte man sich die Zeit nehmen, die richtige Größe des Gummihäkchens zu finden. Der tonmachende Ring liegt nämlich nur im Ohr, anstatt darin zu stecken, wie das bei den meisten In-Ears der Fall ist. Das kleine Gummihäkchen sorgt für zusätzlichen Halt, indem es oben im Ohr eingehängt wird.

Es liegen 5 Größen bei, von XS bis XL. Da die LinkBuds sehr kompakt sind, eignen sie sich, mit den Gummihäkchen in XS oder S, auch für Personen mit kleineren Ohren, denen andere In-Ear-Headphones bisher zu groß waren.

Oben zu sehen sind die Gummihkchen in der Größe XS

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So bequem, dass man sie fast vergisst

Ich habe die Größe L verwendet. M hat zwar auch gepasst, war mir aber zu unsicher. Als Test empfiehlt Sony die LinkBuds einzusetzen und den Kopf zu schütteln. Fühlt es sich an, als würden sie verrutschen, sollte man die Häkchen in der nächstgrößeren Größe nutzen.

Auch mit der Größe L sind die LinkBuds sehr bequem zu tragen. Es drückt nichts im oder an dem Ohr und sie sind so leicht, dass man fast darauf vergisst, dass man sie trägt. Zudem sind sie so kompakt, dass man keine Angst haben muss, sie aus dem Ohr reißen, wenn man eine Haube absetzt oder einen Pullover auszieht.

Das Loch im Ohrhörer

Um das Loch in den LinkBuds zu ermöglichen, hat Sony einen ringförmigen Treiber gebaut. Die Idee dahinter ist, dass man immer noch alles aus der Umgebung hört, während man Musik oder Podcasts lauscht. Dasselbe Prinzip haben etwa auch Brillen mit gerichteten Lautsprechern, die mich bisher aber nicht überzeugen konnten.

Bei Sony geht der Plan aber auf. Man hört zwar eine Spur schlechter als ohne Kopfhörer, aber immer noch alles laut und deutlich genug. Außerdem wird eine sehr gute Klangqualität und ausreichende Lautstärke geliefert. Durch das Loch in den Kopfhörern haben es zudem Menschen leichter, die bei normalen In-Ear-Kopfhörern einen unangenehmen Druck im Ohr verspüren.

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Vorteile des Lochs

Wer gerne noch akustisch mitkriegt, was um ihn/ihr vorgeht, wird die LinkBuds als großartig erachten. Zwar bieten andere In-Ears, wie etwa die WF-1000XM4, einen anpassbaren Pass-Through an, aber etwas richtig zu hören, anstatt digital durchgeleitet, ist doch angenehmer.

Damit eignen sich die LinkBuds besonders für Verkehrsteilnehmende, also Fußgänger*innen, Fahrradfahrer*innen und auch Autofahrer*innen – wobei diese eigentlich keine Kopfhörer tragen sollten, um Warnsignale von Einsatzfahrzeugen wahrnehmen zu können. Für die laufende Fraktion können die LinkBuds ebenfalls die Sicherheit erhöhen, weil man dann etwa herannahende Fahrradfahrer*innen und Autos hört.

Für das Großraumbüro sind die LinkBuds ebenfalls geeignet. Man hört die Kolleg*innen rufen und das Festnetztelefon klingeln, während man Musik hört. Und ja, man kann den Festnetz-Hörer ans Ohr halten und telefonieren, ohne die LinkBuds herauszunehmen.

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Nachteile des Lochs

Aufgrund der Bauform gibt es weder eine aktive noch passive Geräuschunterdrückung – logisch, schließlich soll man ja alles hören. Wer sich von der Außenwelt akustisch abschotten will, hat mit den LinkBuds keine Chance.

Die maximale Lautstärke ist zwar hoch genug, um auch bei stark befahrenen Straßen die Lyrics und Podcasts zu verstehen, aber völlig übertönen kann (und soll man) die Außenwelt nicht. Meistens ist das kein Problem, weil man sich bewusst für die LinkBuds entschieden hat, um eben das Rundherum zu hören. Betonung auf „meistens“: Ich bin in der U-Bahn gesessen und habe einen Podcast gehört, als die 3 anderen Plätze von Personen besetzt wurden, die sich laut unterhalten haben. Für mich war es da unmöglich noch dem Podcast zu folgen, weshalb ich zu Musik gewechselt habe.

Das Loch ist zudem keine Einbahnstraße. Die akustische Verbindung zur Außenwelt ermöglicht physikalisch auch, dass die Musik nach außen dringt. Wie störend das für die Außenwelt ist, ist das situationsabhängig. Im U-Bahn-Test hörte eine futurezone-Kollegin auf dem Nebensitz erst Musik, als diese lauter als mein persönliches Komfort-Level aufgedreht war. Um den Song zu erkennen reichte es aber nicht, weil die Umgebungsgeräusche in der U-Bahn zu laut waren. Oder wie sie es ausdrückt: „Es ist weniger laut als wenn ein derrischer Teenager mit billigen In-Ears neben mir sitzt.“

Anders ist es in einer stillen Homeoffice-Situation, bei etwa 1,50 Meter Abstand. Hier konnte das Musikstück schon bei 50 Prozent Lautstärke identifiziert werden. Im Großraumbüro bei mehr als 3 Meter Abstand, hörte ein Kollege wiederum nichts bei 50 Prozent Lautstärke.

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Adaptive Lautstärke und weitere Funktionen

Die Befürchtung, dass die LinkBuds ein „One-Trick-Pony“ sind, erfüllt sich nicht. Sie können weit mehr, als bloß ein Loch haben und bieten praktische Features. Eines davon ist die adaptive Lautstärke. Ist es in der Umgebung laut, wird die Lautstärke automatisch erhöht. Wird es wieder leiser, wird sie gesenkt. Das ist sehr praktisch und funktionierte im Test verlässlich. Eine kleine Ausnahme (ja, es ist wieder ein U-Bahn-Beispiel): Steht man in der Nähe der Lautsprecher, wird die Lautstärke bei einer Durchsage erhöht – was kontraproduktiv ist, wenn man diese verstehen will.

Geht viel Wind, wird die Lautstärke ebenfalls erhöht. Im Gegensatz zu einigen In-Ears mit aktiver Geräuschunterdrückung, löst der Wind kein ungutes Rauschen oder Knacken aus.

Eine weitere Funktion pausiert automatisch die Musik für einige Sekunden, wenn man spricht. So kann man schnell ein paar Worte wechseln, ohne die Wiedergabe selbst pausieren zu müssen.

Tippgesten werden ebenfalls unterstützt – nur wo soll man hintippen, wenn die Kopfhörer so winzig sind? Die LinkBuds erkennen deshalb Tippgesten, die am Kopf, vor dem Ohr, gemacht werden. Das funktioniert im Test überraschend gut und ist angenehmer, als zu versuchen, den kleinen Knubbel im Ohr zu treffen.

Wie üblich bei Sony können in der Begleit-App die Funktionen ein- und ausgeschaltet bzw. konfiguriert werden. So kann man etwa die Tippgesten für den linken und rechten Hörer separat einstellen.

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Klare Klänge aus dem Ring

Ich rechne Sony hoch an, dass sie nicht für den „Ring-Trick“ das Wichtigste bei Kopfhörern vernachlässigt haben: den Sound. Trotz Loch haben die LinkBuds ähnlich gute Qualitäten, wie man sie von den teureren WF-1000XM4 kennt.

Das sind klare Klänge, eine saubere Trennung der verschiedenen Instrumente und ausbalancierte Höhen. Lediglich beim Bass kommen die LinkBuds nicht ganz an die WF-1000XM4 ran, was an der offenen Bauweise liegen dürfte. Der Bass ist zwar präsent und pointiert, aber selbst wenn man ihn im Equalizer in der App ganz hoch dreht, könnte er für manche noch immer zu wenig sein.

Für den üblichen Alltag fand ich die Standard-Toneinstellung sehr gut. Dass der Bass nicht immer ausreicht, fällt nach ein paar Tagen nicht mehr störend auf, da die restliche Qualität passt. Auch bei Podcasts ist das Standard-Klangprofil passend, ebenso wie quer durch diverse Genres sowie Filme und Serien. Wer bei den  Klangprofilen zur Auswahl nichts passendes findet, kann sich auch 2 eigene Profile mit dem Equalizer in der App erstellen.

Zur Klangverbesserung von komprimierter Musik – also von den meisten Streaming-Diensten – beherrschen die LinkBuds DSEE. Das sollte man unbedingt in der App aktivieren. 360 Reality Audio wird ebenfalls unterstützt. Die Anzahl der verfügbaren Songs in diesem Format ist aber nach wie vor gering und der Effekt selbst ist auch nicht weltbewegend.

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Passable Sprachqualität

Trotz der kompakten Maße sind die LinkBuds sehr gut darin, die eigene Stimme zu übertragen und Störgeräusche herauszufiltern. Das funktioniert sowohl bei Online-Meetings, als auch bei der klassischen Sprachtelefonie.

Im Freien wird es schwieriger. Zwar wird auch hier die Stimme gut übertragen, sie kommt aber bei der Gesprächspartner*in eher leise an, wenn etwa Straßenlärm in der Nähe ist. Hier muss man lauter sprechen, als man es vielleicht gewohnt ist.

Zu klein für eine gute Verbindung

Ein Problem von kleinen Kopfhörern sind auch kleine Bluetooth-Module. Die LinkBuds sind  weniger stabil bei der Verbindung, als die WF-1000XM4. Wählt man in der App die Verbindungspriorität „Qualität“ aus, kann man nicht das Haus verlassen, ohne ständige Aussetzer zu hören.

Bei Verbindungspriorität „Stabilität“ ist es deutlich besser, aber nicht völlig stabil. Beim 10-minütigen Weg zur U-Bahn, vorbei an einer stark befahrenen Straße, gibt es immer ein bis 2 Aussetzer. Im besten Fall sind die nach ein bis 2 Sekunden vorbei. Mit etwas Pech steht man an der Ampel und hat solange Aussetzer, bis die Autos wieder Rot haben und nicht mehr vorbeifahren. In der U-Bahn selbst gab es keine Aussetzer.

Die Verbindungsausfälle können besonders für Fahrradfahrer*innen ärgerlich werden, die täglich zur Arbeit radeln. Am besten testet ihr die LinkBuds auf euren Alltagswegen. Sollten die Ausfälle zu häufig auftreten, macht vom 14-tätigen Rückgaberecht Gebrauch.

Die schlechtere Verbindungsqualität macht sich auch in Innenräumen bemerkbar. Im Homeoffice beginnt die Verbindung schon auszusetzen, wenn ich mich 5 Meter entfernt in einen anderen Raum begebe. Die WF-1000XM4 bleiben in der selben Situation mit dem Smartphone verbunden.

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Akkulaufzeit

Sony gibt die Akkulaufzeit mit 5,5 Stunden an. Im Case ist nochmal Strom für weitere 12 Stunden.

Die Maximallaufzeit richtet sich nach den Features, die aktiviert sind. Features, die die Mikrofone permanent nutzen (Sprachbefehle, adaptive Lautstärke, Spracherkennung), erhöhen den Akkuverbrauch, ebenso wie DSEE. Im Test mit DSEE, adaptiver Lautstärke und Spracherkennung, sank die Akkuladung in 40 Minuten um 25 Prozent. Der Test wurde mehrfach wiederholt, immer mit ähnlichen Resultaten, mit einer Schwankung von +/- 2 Prozent.

Hochgerechnet sind das etwas mehr als 2,5 Stunden – also weit von den 5,5 Stunden entfernt. Für den üblichen Weg zur Arbeit und zurück reichen die 2,5 Stunden – selbst man die LinkBuds nicht zwischendurch im Case auflädt. Will man aber auch in der Arbeit Musik hören, muss man Features deaktivieren oder sich nach anderen Kopfhörern umsehen.

Ähnliches gilt für den Sport. Wer weniger als 2,5 Stunden im Fitnesscenter kraftelt oder laufen geht, hat kein Problem mit den LinkBuds. Für einen Marathon wird es aber nicht reichen. Stichwort Sport: Die LinkBuds sind nach IPX4 wasserabweisend, halten also Schweiß stand. Duschen oder schwimmen gehen sollte man aber nicht damit. Beim Laufen und bei Burpees sitzen die LinkBuds übrigens stabil genug im Ohr – diverse Extrem- oder Kontaktsportarten wurden nicht getestet.

Links die LinkBuds, rechts die WF-1000XM4

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Fazit

Sony hat mich mit den LinkBuds überrascht. Nicht nur, weil es ein mutiger, neuer Formfaktor ist, sondern weil er auch noch funktioniert. Die LinkBuds machen genau das, was sie sollen: Die Umgebung wird nicht akustisch ausgesperrt und trotzdem bekommt man eine sehr gute Tonqualität – ohne andere Menschen übermäßig zwangszubeschallen. Da können die Brillenlautsprecher und Lautsprecherbrillen anderer Hersteller, die dasselbe versprechen, nicht mithalten.

Noch dazu sind die LinkBuds bequem und leicht. Dafür wird aber Akkulaufzeit geopfert, sofern man nicht auf ein paar der praktischen Features verzichten will. Auch die nicht immer stabile Verbindung auf Straßen ist ein Ärgernis. Und wenn man sich mal von der Außenwelt abschotten will, hat man mit den LinkBuds keine Chance – außer, man setzt sich einen Kapselgehörschutz darüber auf.

Wenn man die LinkBuds aber bewusst kauft, um eben alles mitzukriegen, kann man sich mit ihnen sehr gut arrangieren – sofern es am Arbeitsweg keine oder nur wenige Verbindungsausfälle gibt. Wer gern die Option hat, die Welt rundherum verstummen zu lassen und nur bei Bedarf durchzulassen, greift besser zu den exzellenten Sony WF-1000XM4.

Die LinkBuds sind ab 22. Februar erhältlich, zB. bei Amazon um 181 Euro.
Die WF-1000XM4 sind seit dem Vorjahr erhältlich, zB. bei Amazon um 222 Euro.

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