„Solche Äußerungen befördern den Verdacht gegen Deutschland, am besten gar nichts tun und mögliche Sanktionen so klein wie möglich halten zu wollen. Und über allem thront ein stiller Bundeskanzler“, sagte Thomas Kleine-Brockhoff, Vice President des German Marshall Fund und früher Chef des Planungsamts beim damaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck. Und er ergänzte: „Das zahlt ein auf ein Konto, das die neue Bundesregierung wiedereröffnet hat, auf dem die Zweifel an Deutschland verwaltet werden.“
Auch Stefan Meister von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik unterstrich: „Diese Äußerungen bestätigen das, was Deutschlands Bündnispartner ohnehin über uns denken.“ Schönbach spreche „bestimmt vielen Deutschen aus der Seele. Und das zeigt, wie groß auch die Spaltung in der deutschen Elite in der Frage der Haltung gegenüber Russland ist und die Beteuerungen der Bundesregierung für Sanktionen letztlich nichts wert sind.“
Bundeskanzler Olaf Scholz wich erneut einer konkreten Benennung möglicher Sanktionen aus: „Alles, was wir tun, dient dem Ziel, eine weitere Eskalation zu verhindern. Dafür haben wir alle diplomatischen Kanäle aktiviert“, sagte Scholz der „Süddeutschen Zeitung“. Die Klugheit gebiete es, sich die Maßnahmen auszusuchen, die den größten Effekt auf den hätten, der die gemeinsam festgelegten Prinzipien verletze. „Gleichzeitig müssen wir bedenken, welche Folgen das für uns selber hat“, betonte Scholz.
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Solche Äußerungen und die öffentlich geäußerte Gedanken Schönbachs stellten „die internationale Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit Deutschlands – nicht nur aus ukrainischer Sicht – massiv infrage“, sagte der ukrainische Botschafter in Berlin, Andrij Melnik. Er forderte im Gespräch mit dem Handelsblatt von Deutschland, der Ukraine wenigstens „100.000 Helme und Schutzwesten für die Ausrüstung von Freiwilligen“ zur Verfügung zu stellen. Zuvor hatten Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) Waffenlieferungen an das von Russland massiv bedrängte Land abgelehnt. Kiew soll aber ein Feldlazarett geliefert werden.
Verteidigungsministerium wies Äußerungen des Kommandeurs zurück
Schönbach hatte um seine Entlassung gebeten, nachdem seine Äußerungen auf einer Sicherheitskonferenz in Indien vom Bundesverteidigungsministerium als „in Inhalt und Wortwahl in keiner Weise der Position des Bundesverteidigungsministeriums entsprechend“ bezeichnet worden waren. Der bisherige Marineinspekteur der Bundeswehr hatte behauptet, Putin wolle keinen Angriff, sondern „Respekt auf Augenhöhe“. Zudem sagte er: „Die Krim ist weg, sie wird nicht zurückkommen.“ Russland hatte die ukrainische Schwarzmeerhalbinsel 2014 annektiert.
„Dass es derzeit nicht nach einem baldigen Ende der Krimbesatzung aussieht, entpflichtet uns nicht, am internationalen Recht und damit an der Unantastbarkeit der Souveränität der Ukraine wie der anderer Staaten festzuhalten“, sagte der designierte Grünen-Chef Omid Nouripour dem Handelsblatt.
Deutschland brauche Russland gegen China, hatte Schönbach ebenfalls gesagt – obwohl Moskau und Peking seit Jahren immer enger zusammenrücken: wirtschaftlich, politisch im Rahmen einer strategischen Partnerschaft und einer Militärkooperation. Der Offizier hatte auch mit seinem katholischen Glauben für ein Einbeziehen Russlands als christlichem Land gegen China argumentiert und Putin als Atheisten bezeichnet – obwohl der Kremlherr ein bekennender russisch-orthodoxer Christ ist.
Deutschland „das schwache Glied“
Auch US-Medien kommentieren inzwischen in scharfen Worten gegen die deutsche Haltung im Russland-Konflikt und beziehen sich dabei auch auf wachsende Enttäuschungen im Weißen Haus über Berlin. Das „Wall Street Journal“ schrieb am Sonntag: „Deutschlands Abhängigkeit vom russischen Gas schränkt Europas Optionen in der Ukraine-Krise ein“. Und die „Washington Post“ hält Deutschland für „das schwache Glied in der Nato-Verteidigungslinie“. US-Präsident Joe Biden habe recht, wenn er sage die Spaltung in der Nato seien tief.
Zugleich dementierte Washington einen Bericht des „Spiegel“, dass Scholz eine Einladung von Biden abgelehnt habe: „Dieser Bericht ist falsch. Es ist nicht passiert, komplett ausgedacht“, so Adrienne Watson, die Sprecherin des nationalen Sicherheitsrats Weißen Hauses.
Unterdessen nehmen die Spannungen zwischen Russland und dem Westen auch nach dem Treffen der Außenminister Antony Blinken und Sergej Lawrow am Freitag in Genf weiter zu: „Es wird sehr schwerwiegende Konsequenzen geben“, wenn Russland eine prorussische Führung in der Ukraine inthronisiere, sagte der britische Vize-Premier Dominic Raab am Sonntag. „Wir werden das Komplott des Kremls nicht tolerieren“, twitterte Londons Außenministerin Liz Truss. Moskau wisse, dass ein militärischer Einmarsch ein großer strategischer Fehler wäre und in diesem Fall harte Sanktionen drohten. Stattdessen will der Kreml nach Erkenntnissen britischer Geheimdienste ihm genehme Politiker als Führung der Ukraine installieren.
Die USA, Großbritannien und andere Nato-Staaten haben bereits Abwehrwaffen in die Ukraine gebracht. London hat beim Liefern leichter Panzerabwehrwaffen wegen Berlins restriktiver Haltung deutschen Luftraum umflogen und den Umweg über Dänemark genommen. Dem Handelsblatt bestätigte Berichte ergeben zudem, dass die Bundesregierung sogar die Lieferung von noch aus DDR-Produktion stammenden Artilleriehaubitzen aus Estland blockiert.
„Deutschland sollte wenigstens nicht andere blockieren“
„Deutschland sollte wenigstens andere – wie Großbritannien und Estland – nicht behindern“, forderte Kleine-Brockhoff. Botschafter Melnyk bat, Deutschland solle angesichts der Haltung der Verbündeten „nicht mehr im Abseits stehen“. Denn „der Ernst der Lage verlangt von der Ampel-Koalition ein sofortiges Umdenken und eine Kursänderung in der Frage von Waffenlieferungen an die Ukraine“. Das ukrainische Außenministerium hatte wegen der Schönbach-Äußerungen auch die deutsche Botschafterin in Kiew, Anka Feldhusen, einbestellt.
Die USA bereiten angesichts der angespannten Lage zudem die Evakuierung von Familienangehörigen von US-Diplomaten aus Kiew vor. Washington kündigte inmitten der schweren Spannungen ein neues Nato-Manöver an: Die Übung „Neptune Strike 22“ solle im Mittelmeer von Montag an und unter Einbeziehung eines US-Flugzeugträgers zwölf Tage laufen. Das Manöver sei lange geplant und stehe nicht im Zusammenhang mit Befürchtungen eines russischen Einmarsches in die Ukraine, sagte Pentagon-Sprecher John Kirby.
Russland hatte zuvor verschiedene Seemanöver mit insgesamt 140 Kriegsschiffen in den nächsten Wochen etwa im Mittelmeer, im Pazifik und im Atlantik angekündigt. Zudem fange in Kürze ein Manöver in Belarus an, und die 100.000 Soldaten mitsamt Panzern, die Russland um die Ukraine herum zusammengezogen hat, Raketenwerfern und Kampfjets, sollten auch Militärübungen abhalten.
Der Westen und die Ukraine verlangen einen Rückzug der dortigen russischen Truppen. Russlands Präsident Wladimir Putin fordert Sicherheitsgarantien für sein Land, ein Ende der Nato-Osterweiterung und den Abzug von US-Atomsprengköpfen aus Europa. Blinken sagte Lawrow am Freitag für diese Woche eine schriftliche Erklärung der USA zu Moskaus Forderungen zu.
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