Staaten sind zusagefreudig, aber die Umsetzung ist mangelhaft. Erneuerbare Energien wachsen rasch, Emissionen bleiben hoch.
Um die Klimakrise zu bewältigen, müssen alle Länder der Welt an einem Strang ziehen. Das große gemeinsame Ziel ist es, den Temperaturanstieg bis 2100 am besten auf 1,5 Grad Celsius einzuschränken – zumindest aber auf 2 Grad.
Der kleine Unterschied sollte in der Praxis hunderten Millionen Menschen Katastrophen wie massive Unwetter, Dürre und Trockenheit ersparen. Vor einem Jahr haben wir uns angesehen, wie sehr die Staaten auf Kurs zu diesem Ziel liegen und wie sehr sich Österreich dabei anstrengt.
Anfang 2021 lag die Menschheit mit ihren damals existenten Klimaschutzmaßnahmen auf Kurs Richtung 2,9 Grad plus. Hat sich die Lage seitdem verbessert?
Alarmstufe ignoriert
Während die Menschheit im vergangenen Jahr hauptsächlich mit der Bekämpfung der Pandemie beschäftigt war, gab es klimapolitisch 2 große Highlights. Im August veröffentlichte der Weltklimarat IPCC einen neuen Bericht, wonach die Erderwärmung schneller voranschreite als bisher gedacht. Laut UNO-Generalsekretär Antonio Guterres bedeutete dies “Alarmstufe Rot für die Menschheit“.
Bei der Weltklimakonferenz COP 26 im November schien dies bereits wieder großteils vergessen. Nach zähen Verhandlungen konnte sich die Staatengemeinschaft nur zu moderaten Anpassungen ihrer Klimaschutzstrategien durchringen, die laut Auffassung von Experten “nicht annähernd genug” seien, um die Klimaziele zu erreichen.
Leichte Verbesserung
Das wissenschaftliche Analyseinstrument Climate Action Tracker sieht die Welt momentan auf Kurs 2,7 Grad plus gegenüber vorindustriellen Zeiten – wenn man bereits angewendete Maßnahmen hernimmt. Geht es nach den Zielen und Versprechen der Staaten, bewegen wir uns auf einem Pfad Richtung 2,1 Grad.
Optimistisch gesehen “nähern wir uns schön langsam dem Ziel von 2 Grad plus an”, meint Reinhard Steurer, Professor für Klimapolitik an der Universität für Bodenkultur. Woran es bisher aber mangle, sei die Umsetzung geeigneter Maßnahmen, um die Ziele auch zu erreichen.
Die positivste Entwicklung sieht Steurer im technischen Bereich, allen voran beim Ausbau erneuerbarer Energien. In Österreich, in der EU, aber u.a. auch in China wird die Stromerzeugung aus Sonnen-, Wasser- und Windkraft so stark angekurbelt, dass bei dem Tempo Wachstumsziele bis 2030 sogar übertroffen werden.
Österreich hinkt hinterher
Was die Reduktion des Energieverbrauchs angeht, sieht es weniger positiv aus. Die Verringerung der Treibhausgasemissionen geht zu langsam voran. Im Transportsektor sind im vergangenen Jahr zwar die Verkäufe von Elektrofahrzeugen stark angestiegen, dennoch werden auf Österreichs Straßen Jahr für Jahr mehr fossile Treibstoffe verbrannt. Laut dem Klimaschutzbericht 2021 des Umweltbundesamtes muss Österreich ordentlich aufholen, um seine Emissionsreduktionsvorgaben zu erfüllen. Momentan belegt das Land einen der hintersten Plätze innerhalb der EU.
Zu den Versäumnissen der Menschheit beim Klimaschutz kamen im vergangenen Jahr einige Katastrophen, die den Klimawandel fördern. Einen kleinen Eindruck davon, wie große Brände weltweit Wälder von Kohlenstoffsenken in CO2-Produzenten verwandeln, bekam man 2021 durch den Brand auf der Rax auch hierzulande.
Kippeffekt bei Methan möglich
Dazu kam im Vorjahr ein Anstieg der Methanemissionen, dessen genaue Ursachen ungeklärt sind. Methan ist als Treibhausgas noch wesentlich effektiver als CO2.
Steurer: “Die Konzentration in der Atmosphäre ist so stark angestiegen wie noch nie. Das kann damit zusammenhängen, dass bei der Gewinnung fossiler Energieträger viel Methan frei wird. Es kann aber auch damit zu tun haben, dass das Methan aus dem auftauenden Permafrost austritt.”
Der Anstieg bei Methan könnte einer jener Kippeffekte sein, vor denen Klimaforscher*innen stets warnen. Sie gehen mit der steigenden Durchschnittstemperatur der Erdatmosphäre einher und sind im schlimmsten Fall irreversibel.
Präsentes Thema
In der öffentlichen Wahrnehmung wurde der Klimaschutz durch die Pandemie etwas in den Hintergrund gedrängt, “aber das Thema ist nicht verschwunden”, wie Steurer feststellt. “In verschiedenen Fragen ist die Bevölkerung weiter als die Politik. Es gibt etwa eine große Bereitschaft, Kurzstreckenflüge zu verbieten oder einen höheren CO2-Preis festzulegen. Es gibt aber auch heikle Punkte, wo es noch wenig Verhaltensänderung gibt, etwa bei der Ernährung.”
Auf dem Pfad Richtung 1,5 Grad befindet sich derzeit kein einziges Land, attestieren die Wissenschaftler*innen des Climate Action Tracker. Einige Länder zeigen allerdings größere Anstrengungen als andere, um die gemeinsamen Klimaziele zu erreichen. Die Länder der EU, Großbritannien, Chile oder Costa Rica hätten etwa realistische Pläne zur Reduktion ihrer Treibhausgasemissionen auf netto Null vorgelegt. Bei vielen anderen Ländern gebe es aber eine “Glaubwürdigkeitslücke”.
Gemessen wird jedes Land an seinen national festgelegten Beiträgen (NDC) zur Bekämpfung des Klimawandels. Bei jeder großen Klimakonferenz wird eigentlich erwartet, dass diese NDCs nachgeschärft werden. Die größten Nachbesserungen im Vorjahr haben die USA unter der neuen Regierung von Joe Biden erbracht. Russland und Australien haben ihre eigenen Ambitionen dagegen gar nicht erweitert. Brasilien und Mexiko haben sogar neue, noch weniger ambitionierte Ziele als zuvor vorgelegt.
Positiv ist, dass sich immer mehr Länder dazu entschließen, Ziele für eine radikale Reduktion ihrer Treibhausgasemissionen vorzulegen. Ob sie es schaffen, diese Ziele in die Tat umzusetzen, ist jedoch die große Frage. Viele Fahrpläne weisen etwa nur unzureichende kurzfristige Reduktionen auf, wodurch das Erreichen langfristiger Ziele realistisch gesehen noch viel schwieriger wird. Besonders schwierig wird es für Entwicklungsländer, weshalb Industriestaaten – auf deren Kappe der Großteil der Emissionen geht – Unterstützung leisten sollen. Ein gutes Beispiel dafür ist Südafrika. Dort sollen die EU, Großbritannien und USA ein 7,4 Milliarden Euro schweres Paket finanzieren, das den Ausstieg des Landes aus Kohleenergie ermöglichen soll.
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