Berlin Die Arbeitgeber werfen der Bundesregierung angesichts der geplanten Anhebung des Mindestlohns auf zwölf Euro ein „verfehltes Verständnis von Sozialer Marktwirtschaft, der Rolle der Sozialpartner und der Frage eines angemessenen Lohns vor“. So steht es in der Stellungnahme der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) zum Referentenentwurf aus dem Haus von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD).
In der Gesetzesbegründung werde eine angemessene Teilhabe am gesellschaftlichen Leben in Anlehnung an das angelsächsische System der „living wages“ als Grund für die Anhebung aufgeführt. Dieses passe aber nicht in das deutsche System einer funktionierenden Entgeltfindung durch die Tarifparteien, kritisierten die Arbeitgeber.
Mit den „Staatslöhnen“ verhalte sich die Bundesregierung nicht nur „respektlos“ gegenüber den Entscheidungen der unabhängigen Mindestlohnkommission, die gute Arbeit gemacht habe, hieß es aus Kreisen der Arbeitgeberverbände. Die Erhöhung treffe die Unternehmen zudem in einer schwierigen Krisensituation. Die BDA lässt derzeit von einem Arbeits- und einem Verfassungsrechtler ein Rechtsgutachten zu dem geplanten Gesetz erstellen, das in zwei Wochen vorliegen soll.
Laut Referentenentwurf soll der Mindestlohn, der derzeit bei 9,82 Euro brutto pro Stunde liegt und zum 1. Juli auf 10,45 steigt, ab Oktober auf zwölf Euro angehoben werden.
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Danach soll wieder die mit Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern besetzte unabhängige Mindestlohnkommission übernehmen und bis Ende Juni 2023 über die nächste Anpassung ab dem 1. Januar 2024 entscheiden.
Während die Arbeitgeber bezweifeln, dass der politische Eingriff – wie von der Regierung versprochen – „einmalig“ bleibt, betont der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), dass die Bedeutung und Wichtigkeit der Mindestlohnkommission mit dem Gesetz verankert bleibe. Die Kommission werde nach der geplanten Erhöhung „in gewohnter Art und Weise ihre Arbeit fortsetzen und das zuständige Gremium für die Weiterentwicklung des Mindestlohns bleiben“.
Rolle des Mindestlohns bei der Armutsbekämpfung ist umstritten
Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften begrüßen die einmalige gesetzliche Anhebung des Mindestlohns laut Stellungnahme ausdrücklich. Ein Vollzeitbeschäftigter habe, verglichen mit einem Mindestlohn von 10,45 Euro, so am Monatsende 250 Euro brutto mehr in der Tasche. Dies sei ein wichtiger Schritt hin zum eigentlichen Ziel der Lohnuntergrenze – der Armutsvermeidung.
Hier gehen die Meinungen zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften allerdings auseinander. Das Existenzminimum zu sichern sei Kernaufgabe des Staates und dürfe nicht den Sozialpartnern und Unternehmen auferlegt werden, schreibt die BDA. Auch der Vorsitzende der Mindestlohnkommission, der frühere RWE-Arbeitsdirektor Jan Zilius, hatte mehrfach betont, dass er die gesetzliche Lohnuntergrenze nicht für ein geeignetes Instrument zur Armutsbekämpfung hält.
Die Arbeitgeber fordern, mit der Anhebung des Mindestlohns wenigstens bis Anfang 2023 zu warten, um den Unternehmen Zeit für die Anpassung zu geben und die noch von der Mindestlohnkommission beschlossene Erhöhung auf 10,45 Euro wirken zu lassen. Auch sollte die durch das Gesetz geänderte Lohnuntergrenze nicht schon 2024, sondern erst 2025 erneut angepasst werden.
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Die Arbeitgeber argumentieren, dass es für die Unternehmen bei Einführung des Mindestlohns im Jahr 2015 einen längeren Vorlauf gegeben habe und die Lohnuntergrenze von damals 8,50 Euro zwei Jahre lang nicht erneut angefasst worden sei. Außerdem sei eine Übergangsregelung für bestehende Tarifverträge erforderlich. Laut Statistischem Bundesamt wird durch die Anhebung auf zwölf Euro in mindestens 125 Tarifverträge eingegriffen.
Laut Gregor Thüsing, Direktor des Instituts für Arbeitsrecht und Recht der sozialen Sicherheit der Universität Bonn, lagen bereits bei der Schaffung des Mindestlohngesetzes Vorschläge auf dem Tisch, Tarifverträge vorgehen zu lassen. Das sei damals abgelehnt worden. „Dass dieses fehlende Vertrauen in die Tarifpartner zu Problemen führt, zeigt sich jetzt umso deutlicher.“
Mehr: BDA-Chef Dulger: „Der Wortbruch beim Mindestlohn hat viel Vertrauen zerstört“
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