Halbleiterindustrie: ASML: Europas wertvollster Tech-Konzern kämpft mit der Auftragsflut


Der niederländische Chipausrüster kann lange nicht so viel liefern, wie die Kunden gern hätten. Investoren verhalten sich derzeit trotzdem zurückhaltend.

Europas wertvollster Tech-Konzern kämpft mit der Auftragsflut Quelle: via REUTERS

ASML-Maschine

Der niederländische Spezialmaschinenbauer für die Chipindustrie ist voll ausgelastet.


(Foto: via REUTERS)

München Aufträge ohne Ende: Der niederländische Chipausrüster ASML kann die Orderflut kaum noch bewältigen. „Die größte Herausforderung, die wir derzeit sehen, ist, dass die Nachfrage unsere Kapazität deutlich übersteigt“, sagte Vorstandschef Peter Wennink am Donnerstag. „So etwas habe ich noch nie erlebt.“

Wie kein anderer europäischer Konzern profitiert ASML vom gewaltigen Boom der Halbleiterindustrie. Vergangenes Jahr ist der Umsatz um ein Drittel auf knapp 19 Milliarden Euro in die Höhe geschossen. Der Gewinn stieg sogar um fast zwei Drittel auf annähernd sechs Milliarden Euro.

Und der Aufschwung ist noch lange nicht zu Ende: Auch 2022 werde ein gutes Jahr, beteuerte Wennink. Er rechne mit einem Umsatzplus von 20 Prozent gegenüber 2021. Die Kunden bräuchten dringend neue Maschinen, um ihre Werke auszubauen. ASML könnte 40 bis 50 Prozent mehr Anlagen verkaufen, wenn der Konzern nur das nötige Personal und die Fabriken hätte.

Einzig die Investoren, die haben zuletzt nicht mehr so recht an die Wachstumsstory geglaubt. Seit Herbst haben die Aktien knapp ein Fünftel an Wert verloren. Allerdings beträgt das Plus binnen Jahresfrist noch immer etwa 40 Prozent, und die meisten Analysten rechnen mit einem kräftigen Kursplus in den nächsten zwölf Monaten.

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Allerdings ist das derzeitige Geschäft tatsächlich erklärungsbedürftig. Um die Maschinen schneller auszuliefern, würden die finalen Tests und die Abnahme von nun an bei den Kunden vor Ort erfolgen, erläuterte Wennink. Die Folge: Umsätze, die normalerweise im ersten Quartal verbucht würden, kommen jetzt später. Daher würden die Erlöse zu Jahresbeginn im Vergleich zum Vorquartal um fast zwei Milliarden Euro schrumpfen. Ebenso würden sich am Jahresende Umsätze ins Jahr 2023 verschieben.

ASML ist deutlich mehr wert als SAP

Mit einer Marktkapitalisierung von rund 260 Milliarden Euro ist ASML der wertvollste Tech-Konzern Europas. Zum Vergleich: Der Softwarehersteller SAP kommt auf rund 150 Milliarden Euro. Die Marktkapitalisierung des größten deutschen Chipkonzerns, Infineon, beträgt nicht einmal ein Fünftel von ASML.

Weltweit beherrscht nur ASML die sogenannte EUV-Lithografie, das fortschrittlichste Produktionsverfahren der Chipbranche. EUV steht für extrem ultraviolettes Licht, mit dem die Halbleiter belichtet werden. Einzig diese Technologie ermöglicht es, Chips der nächsten Generation mit Strukturgrößen von unter sieben Nanometern zu produzieren. Das heißt, noch feinere Strukturen auf den Leiterplatten abzubilden und sie damit auf kleinstem Raum leistungsfähiger zu machen.

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Das Umfeld für ASML könnte nicht besser sein. Die Chiphersteller überbieten sich in ihren Expansionsplänen. Der weltgrößte Auftragsfertiger, TSMC, will dieses Jahr gut 40 Milliarden Dollar in seine Werke investieren. Das sind rund zehn Milliarden mehr als 2021. Weltmarktführer Intel möchte zwischen 25 und 28 Milliarden Dollar für Fabriken und Maschinen in die Hand nehmen.

In der Europäischen Union gilt der Konzern inzwischen als größter technologischer Trumpf des Kontinents. Dabei spielen deutsche Zulieferer wie Zeiss und Trumpf eine strategisch wichtige Rolle. „In Europa verfügen einige Firmen über herausragende Kompetenzen, die sonst nirgends existieren: darunter Technologien, die in der Halbleiterproduktion von sehr kleinen Strukturen notwendig sind“, erläutert Chipexperte Sven Baumann vom Industrieverband ZVEI.

„Europa hat zwei Juwelen“, sagte Intel-Chef Pat Gelsinger vergangenes Jahr. „Der eine ist ASML, die fortschrittlichste Lithografie-Firma, und der andere ist Imec, die fortschrittlichste Halbleiterforschung der Welt.“ Nur wenige große Chiphersteller können sich das EUV-Equipment von ASML allerdings überhaupt leisten. Die wichtigsten Käufer sind TSMC aus Taiwan sowie Samsung aus Südkorea.

Die Erlöse der Chipbranche kletterten vergangenes Jahr um gut ein Viertel auf 583,5 Milliarden Dollar (513 Milliarden Euro), so die Marktforscher von Gartner. Für das laufende Jahr erwartet die Branche ein Plus von knapp neun Prozent.

Ein Brand in der Berliner Fabrik von ASML beunruhigt die Kunden des Chipausrüsters. Quelle: Bloomberg

ASML-Fabrik in Berlin

Ein Brand in der Berliner Fabrik von ASML beunruhigt die Kunden des Chipausrüsters.


(Foto: Bloomberg)

Angesichts der riesigen Nachfrage sorgte jüngst ein Brand im Berliner Werk von ASML für Unruhe in der Chipindustrie. Die Niederländer mussten einen Teil der Fertigung mit 1200 Beschäftigten der früheren Berlin Glas schließen. ASML hatte die Hightech-Firma vor zwei Jahren übernommen. Wennink betonte am Donnerstag, die Situation sei beherrschbar und das Feuer werde wohl nur einen geringen Einfluss auf das EUV-Geschäft im gesamten Jahr haben.

Langfristig müsse man sich ohnehin keine Sorgen machen, beteuerte der Manager: „Die Chipnachfrage ist unersättlich – bis Ende des Jahrzehnts wird sich die Branche verdoppeln.“ Derzeit stehen bei ASML Aufträge für 24 Milliarden Euro in den Büchern.

Mehr: Samsung zieht im Boom der Chipbranche an Marktführer Intel vorbei

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