„Die Aussichten waren sehr düster“, erinnert sich Daniel Marschner an die Brustkrebserkrankung seiner Freundin Jessica Biastoch. Die Diagnose erhielt sie im Sommer 2018, kurz nach ihrem 29. Geburtstag. Viele Fragen seien damals aufgekommen, erzählt Marschner. „Werde ich Jessi verlieren? Wie geht es jetzt weiter? Gibt es überhaupt Hoffnung?“ Es folgten Chemotherapie, eine Operation und fast 30 Bestrahlungen. Doch das sei nicht einmal das Schlimmste gewesen. Vorausgegangen war der Diagnose eine jahrelange Odysee bei Ärzten.
Angefangen hätten die Beschwerden bei Biastoch 2015 mit wiederkehrenden Schmerzen in der Brust. Das Paar habe diese zunächst auf Stress geschoben. Auch Ärzte, die Biastoch in der Folge aufsuchte, hätten lediglich hormonelle Veränderungen und bestehende Krankheiten – etwa Rheuma – für ihre Schmerzen verantwortlich gemacht. Selbst als sich ihr Gesundheitszustand weiter verschlechterte, hätten die Mediziner angeblich nichts gefunden. „Wochen vor der Entdeckung des Tumors wurde ihr sogar geraten, es doch mal mit Quarkwickeln zu probieren“, erzählt Marschner. „Wir haben uns immer hilfloser gefühlt.“ Erst der Besuch in einer Spezialklinik brachte Gewissheit – und für Jessica Biastoch letztlich Heilung. „Weil endlich ein Arzt das Problem ernst nahm“, so Marschner.
App soll „Versorgungslücken“ schließen
Aus den Erfahrungen des Paares entwickelte sich eine Gründungsidee. Mit ihrer App Brea wollen die Berliner anderen Betroffene ab dem Zeitpunkt der Diagnose durch die Phasen der Therapie und Nachsorge begleiten. Denn steht die Diagnose Brustkrebs erstmal fest, erwartet Patientinnen neben der eigentlichen Therapie vor allem organisatorische Fleißarbeit. Termine müssen koordiniert, Medikamente eingenommen und Dokumente ausgefüllt werden. Viele Betroffene fühlen sich laut Marschner dadurch schnell überfordert. „Das ist eine von vielen Versorgungslücken bei Brustkrebs-Patientinnen, die wir schließen wollen“, sagt der Gründer.
Dazu fragt Brea zunächst den Krankenstand der Nutzerinnen ab. Wann traten die ersten Symptome auf, wann erfolgte die Diagnose? Läuft die Chemo schon? Wie alt ist die Patientin und besteht noch ein Kinderwunsch? Anhand der Eingaben erstellt die App dann einen individuellen Selbsthilfeplan. Der umfasst neben Terminerinnerungen zum Beispiel ein Symptom-Tagebuch sowie Übungen zu Achtsamkeit und Resilienz. Den Besuch von Chemo-Behandlungen belohnt die App mit virtuellen Abzeichen.
Außerdem informiert Brea über Themen, die Patientinnen vermutlich gerade betreffen. Konkret kann dies die Kostenübernahme für eine Perücke sein, das Antragsformular für eine Reha oder die Frage, ob Sex während der Behandlung möglich ist. Zehntausende Menschen könnten von der App profitieren, rechnet Mitgründer Daniel Marschner vor. Während Männer in den seltensten Fällen von Brustkrebs betroffen seien, erkrankten allein in Deutschland jährlich 70.000 Frauen daran. Jedes Jahr sterben 17.000 von ihnen an dem Tumor.
An Startup-Erfahrung mangelt es den Brea-Gründern nicht. CEO Jessica Biastoch ist studierte Modedesignerin, sie hat unter anderem für den Modeversender Zalando gearbeitet und PR für ein Food-Startup gemacht. Daniel Marschner wiederum gehörte einst dem berüchtigten Gründerteam von 6Wunderkinder an, das die To-Do-Listen-App Wunderlist groß machte und später für einen dreistelligen Millionenbetrag an Microsoft verkaufte. Der ausgebildete Fachinformatiker ist es auch, der die App technisch entwickelt. Unterstützt werden Biastoch und Marschner außerdem von Sarah Jankowsky. Die Betriebswirtin kümmert sich bei Brea um den Vertrieb.
Zertifizierung bremst Brea aus
Letzteres sei derzeit auch die größte Hürde für das junge Unternehmen, sagt Marschner. Ursprünglich sei geplant gewesen, die App vor dem Launch als Medizinprodukt zertifizieren zu lassen. Doch für ein Startup wie Brea erwies sich der Vorgang als zu langwierig. Die Europäische Union hatte die Standards nach Problemen mit einigen Anbietern zuletzt deutlich verschärft. Dadurch sank auch die Zahl der in Deutschland anerkannten Prüfstellen. Lange Wartezeiten sind die Folge. „Vor 2024 würden wir unter den aktuellen Umständen keine Zertifizierung erhalten“, sagt Marschner. Das Unternehmen hat seine Pläne deshalb geändert.
Bis Jahresende soll zunächst eine abgespeckte Version der Brea-App erscheinen, für die kein Prüfsiegel notwendig ist. Dafür wird vorerst auf einige Features – etwa die Analyse der Gesundheitsdaten mittels künstlicher Intelligenz (KI) – verzichtet. Der Mehrwert für Brustkrebs-Patientinnen bleibe jedoch erhalten, verspricht Marschner. Auf diese Weise soll Brea erste Nutzerinnen gewinnen und als Marke bekannt gemacht werden. Die Zertifizierung erfolge dann in einem zweiten Schritt.
Dies betrifft auch die Aufnahme in das Verzeichnis für digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA). Derartige vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) geprüfte Apps dürfen von Ärzten als Behandlungsmittel „auf Rezept“ verschrieben werden. Der Wettbewerb unter Gesundheits-Startups in diesem Bereich wächst. Auch Marschner hofft, Brea langfristig als digitale Gesundheitsanwendung etablieren zu können. Einerseits würde dies den Zugang der Firma zu Patienten erheblich erleichtern. Andererseits müssten gesetzliche Krankenkassen dann die Kosten für die App übernehmen. Davon würde Brea auch finanziell profitieren. Die Kosten für bestehende Diga-Apps liegen im Mittel bei rund 405 Euro pro Quartal.
Marschner betont aber, dass auch direkte Absprachen mit Krankenkassen denkbar seien. Das könnte den Weg hin zu einer breiten Akzeptanz sogar verkürzen. „Wenn eine App erstmal bei einer Kasse im Leistungskatalog aufgeführt wird und direkten Mehrwert liefert, wollen auch andere Versicherer nachziehen“, sagt Marschner. Mit welchen Krankenkassen die Firma derzeit verhandelt, will er Gründerszene nicht verraten.
Immerhin: Auf erste Fürsprecher können sich die drei Brea-Gründer schon jetzt verlassen. Ende Oktober vergangenen Jahres startete das Unternehmen eine Crowdfunding-Kampagne mit dem Ziel, erstes Kapital für die weitere Finanzierung des Projekts einzusammeln. Bis zum 17. Januar sollten insgesamt 15.000 Euro zusammenkommen. Das Ergebnis: 147 Menschen steuerten knapp 17.000 Euro bei.
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