Thomas Gerber
20.02.2022 | 22:00 Uhr
Nach dem mutmaßlichen Mord an zwei Polizeibeamten bei Kusel wird die Frage laut, ob die Behörden bei den Tatverdächtigen die nötigen Waffenkontrollen ordnungsgemäß durchgeführt haben. Im Neunkircher Landratsamt ergibt sich außerdem eine bedenkliche Nähe zur Jägerschaft.
Der grausame Tod der beiden jungen Polizeibeamten auf der Kreisstraße bei Kusel scheint weitgehend aufgeklärt. Zwei Saarländer, Andreas S. (38) und Florian V. (32), stehen im Verdacht des gemeinschaftlich begangenen Mordes und sitzen in Untersuchungshaft. Sie sollen am frühen Morgen des 31. Januar eine 24 Jahre alte Polizeianwärterin und ihren 29 Jahre alten Kollegen erschossen haben.
Die beiden mutmaßlichen Täter waren offenbar beim Wildern ertappt worden. Völlig unklar ist allerdings, wie S. und V. ein regelrechtes Waffenarsenal aufbauen konnten. Das wirft die Frage nach einem möglichen Versagen der Behörden auf. In einem Landkreis gibt es zudem eine bedenkliche Nähe zur Jägerschaft.
Detaillierte Infos kurz nach der Tat
Sie war verräterisch – jene Sprachnachricht, die nach den tödlichen Schüssen von Kusel in Jagdkreisen die Runde machte. Der Präsident der rheinland-pfälzischen Weidmannschaft Dieter Mahr berichtete auf WhatsApp wenige Stunden nach den schrecklichen Geschehnissen erstaunlich detailliert über die Tat und das von Wilderei geprägte Leben des Andreas S..
Zum Schluss richtete er einige beruhigende Worte an die Seinen. Zwar gebe es von den Medien zahlreiche Anfragen auch an den Jagdverband. Darin gehe es derzeit jedoch rein um das „fürchterliche Verbrechen“ nicht um die „Jagerei“ oder um „legalen oder illegalen Waffenbesitz“. Mahr gab seiner Hoffnung Ausdruck, dass das auch so bleibt.
Herkunft der Tatwaffen unklar
Bei den Jägern geht also ganz offensichtlich die Angst um, der Tod der beiden jungen Polizisten könnte ihnen eine weitere Verschärfung des Waffenrechts bescheren. Eine Diskussion über Jagdschein, Waffenbesitzkarte (WBK) und Kontrollen der Behörden sollte möglichst vermieden werden – war Andreas S. doch lange Jahre Jäger, hatte Jagdschein und WBK.
Nach einem mutmaßlichen Jagdunfall mit einem schwer verletzten Mitjäger war ihm der Jagdschein zwar einmal entzogen worden, nach fünf Jahren Sperre bekam er ihn aber wieder. Im März 2020 – nach finanziellen Unregelmäßigkeiten in seiner Bäckerei – hatte S. den Jagdschein dann nicht verlängern lassen.
Landkreistag verweist auf Datenschutz
Jagen war damit für ihn offiziell tabu. Seine Waffen hat er laut Landkreistag an erwerbsberechtigte Personen weitergegeben. An wen, das bleibt unklar. An seine Ehefrau, die selbst Jägerin ist? Diese Frage ließ der Landkreistag unbeantwortet, verwies auf den Datenschutz und darauf, dass man laut Mediengesetz zu weiteren Auskünften nicht verpflichtet sei.
Das gelte auch für die Frage, ob es denn Kontrollen im Wohnanwesen von Herrn und Frau S. gegeben hat? Ob die untere Waffenbehörde – sprich der Kreis Neunkirchen – kontrolliert hat, dass die Waffen ordnungsgemäß gelagert und gesichert waren? Zu alledem hüllt sich der Landkreistag in Schweigen, der wegen der häufigen Wohnsitzwechsel des ehemaligen Jägers Andreas S. die Pressearbeit in Sachen Waffengesetz für die beteiligten Kreisverwaltungen übernommen hat.
Waffenkammer ausgehoben – von der Kurzwaffe bis zur Armbrust
Dass es regelmäßige verdachtsunabhängige Nachschauen bei Familie S. gegeben hat, ist nach aktuellem Stand unwahrscheinlich und könnte ein Fehler gewesen sein. Denn immerhin: Nach dem Zugriff des SEK in Sulzbach wurden allein im Anwesen von S. und seiner Frau in Spiesen-Elversberg 17 Waffen sichergestellt – vom Repetiergewehr bis hin zur Armbrust.
Eine Schrotflinte und eine Winchester wurden zudem in Sulzbach beschlagnahmt – ob das die Tatwaffen sind, ist offen. Die kriminaltechnischen Untersuchungen, so die Staatsanwaltschaft Kaiserslautern, seien noch nicht abgeschlossen. Unter Jägern aber ist es schon seit Langem kein Geheimnis: Bei den Vor-Ort-Kontrollen tun sich die Kreiswaffenbehörden personalbedingt schwer.
Sachbearbeiter gleichzeitig Landesjägermeister
Rund 5000 Jäger gibt es allein im Saarland, Sachbearbeiter in den Waffenbehörden aber sind rar. Im für Spiesen-Elversberg zuständigen Landratsamt des Kreises Neunkirchen gibt es zudem noch eine ganz spezielle Konstellation. Der zuständige Sachbearbeiter ist nämlich auch noch Funktionär der Vereinigung der Jäger des Saarlandes – er ist stellvertretender Landesjägermeister und Kreisjägermeister in Neunkirchen. Angesichts dieser Konstellation könnte man vermuten, dass da jemand quasi sich selbst nebst Jagdkollegen kontrolliert.
Interessenskonflikt in der Unteren Waffenbehörde?
Nein, sagt der Neunkircher Landrat Sören Meng (SPD). Keine „Besorgnis der Befangenheit“ – ganz im Gegenteil. Bei der Unteren Waffenbehörde seien „sogar Fachkenntnisse im Bereich des Jagd- und Forstwesens bei Stellenbesetzungen ausdrücklich erwünscht“.
Zudem werde bei Kontrollgängen das Vier-Augen-Prinzip gewahrt. Der Betroffene übe die Doppelfunktion bereits seit 38 Jahren aus, genehmigt vom damaligen Landrat. 38 Jahre ohne Beanstandungen. Das sagt auch das Saar-Innenministerium, das allerdings Mengs Behauptung, es gebe ähnliche Konstellationen auch in anderen Landkreisen, nicht bestätigen kann.
Meinung
Um es klar zu sagen: Der Mord an den beiden Polizeibeamten wäre durch strikte Waffenschrank-Kontrollen vermutlich nicht verhindert worden. Der Markt für illegale Waffen ist einfach zu groß.
Andererseits muss dort, wo legale Waffen unterwegs sind – bei Jägern und bei Schützen –, aber auch genau hingeschaut werden. Bereits der böse Schein einer Befangenheit, der Verdacht einer allzu großen Nähe zwischen Kontrolleuren und Kontrollierten muss vermieden werden. Seit Kusel ist auch bei den Jägern nichts mehr so wie es war – damals vor 38 Jahren.
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