In Frankfurt hat am Mittwoch der Strafprozess wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit gegen den Syrer Alaa M. begonnen. Während er in seiner Heimat vor zehn Jahren Gefangene gefoltert haben soll, war er ab dem Jahr 2016 in Deutschland als Orthopäde tätig.
Die überraschendste Neuigkeit gab es am Ende des ersten Verhandlungstages: Einer der drei Verteidiger von Alaa M. kündigte an, dass sich der Angeklagte am nächsten Verhandlungstag umfassend zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen äussern wolle. Dafür solle das Gericht zwei Verhandlungstage einplanen. Zuvor war unklar, ob sich M. über die Angaben zu seiner Person hinaus zur Sache einlassen will, wie aus Äusserungen von Christoph Koller hervorging, dem Vorsitzenden des mit fünf Richtern besetzten Staatsschutzsenats.
Folter, Mord und schwere Körperverletzung
Am Mittwoch hat vor dem Oberlandesgericht Frankfurt der Prozess gegen den Syrer Alaa M. begonnen (hier geht es zum Vorbericht zum Prozess). Die Generalbundesanwaltschaft wirft dem 36-Jährigen vor, in seiner Heimat in 18 Fällen Gefangene gefoltert und ihnen schwere körperliche und seelische Schäden zugefügt zu haben. Die Taten soll er in den Jahren 2011 und 2012 als Assistenzarzt in zwei syrischen Militärkrankenhäusern in Homs und Damaskus sowie in einem Gefängnis des Militärgeheimdienstes in Homs begangen haben. Dort und in anderen Einrichtungen soll Folter an der Tagesordnung gewesen sein.
Die Opfer sollen tatsächlich oder vermeintlich der Opposition gegen das Regime von Syriens Machthaber Bashar al-Asad angehört haben. In einem Fall soll M. zudem einen Gefangenen mittels einer Injektion vorsätzlich getötet haben, um damit seine Macht zu demonstrieren und das Aufbegehren eines Teils der syrischen Bevölkerung zu unterdrücken. In dem Prozess geht es also im Wesentlichen um Folter, Mord und schwere Körperverletzung. M. bestreitet sämtliche Vorwürfe.
Angaben zu Lebenslauf und Werdegang
Am ersten Verhandlungstag verlasen die Vertreterinnen der Generalbundesanwaltschaft nochmals die konkreten Vorwürfe gegen den Angeklagten, betteten diese in das Geschehen im Rahmen des Arabischen Frühlings ein und legten ihre Ansicht über die Rolle des syrischen Militärgeheimdienstes, der Rolle der Militärkrankenhäuser und der Tätigkeiten des Angeklagten dar. M. soll nicht nur Gefangene geschlagen und getreten sowie sie mit Plastikrohren und medizinischen Geräten malträtiert haben, sondern in mehreren Fällen auch ihre Genitalien oder eine Hand mit einer brennbaren Flüssigkeit übergossen und angezündet haben.
Vor Kollegen habe er laut Bundesanwaltschaft teilweise mit seinen Misshandlungen geprahlt, etwa mit Aussagen wie «ich habe heute eine Küchenschabe mit Füssen getreten» oder, im Hinblick auf von ihm durchgeführte Verbrennungen von Genitalien von Gefangenen, «ich habe heute eine neue Foltermethode erfunden».
Der höflich, ruhig und sachlich auftretende M., gekleidet in weisses Hemd und dunkelblauen Anzug, machte am Mittwoch Angaben zu seinem Lebenslauf und seinem beruflichen Werdegang. Demnach wurde er als Ältester von drei Geschwistern 1985 in Homs geboren. Bei der ganzen Familie handele es sich um Christen der griechisch-orthodoxen Glaubensrichtung. Er sei zudem in eine private evangelische Schule in Homs gegangen, bevor er von 2003 bis 2009 Humanmedizin in Aleppo studiert habe.
Bereits früh habe sich der Wunsch abgezeichnet, ins Ausland zu gehen, weshalb er 2009 angefangen habe, die deutsche Sprache zu lernen. Jahre zuvor hatte er bei einem Aufenthalt in Manchester festgestellt, dass ihm Grossbritannien nicht zusagt. Im Mai 2015 ist er dann mit einem in Libanon ausgestellten Visum über Frankfurt in Deutschland eingereist. Beim Militär sei er in Syrien nie gewesen. Dies verdankte er offenbar dem Studium und der Ausbildung.
Arbeit in verschiedenen deutschen Kliniken
Aus der Verlesung zahlreicher syrischer Dokumente, etwa von Zeugnissen, die überwiegend 2016 in Leipzig übersetzt worden sind, ergibt sich ein tadelloser beruflicher Werdegang in Syrien mit sehr guten und guten Bewertungen und Charakterisierungen wie «fleissig», «teamfähig» und «lernfähig». Aus den vorgetragenen Dokumenten ergab sich kein Hinweis auf eine Tätigkeit in den von der Generalbundesanwaltschaft genannten Einrichtungen. Aus ihnen geht lediglich eine Tätigkeit im Städtischen Krankenhaus Damaskus von 2010 bis 2015 hervor.
In Deutschland erhielt er bereits im August 2015 seine Approbation als Arzt und vier Jahre später die Anerkennung als Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie. M. arbeitete in verschiedenen Krankenhäusern, zuerst in den nordhessischen Gemeinden Bad Wildungen und Hessisch Lichtenau, dann im niedersächsischen Göttingen und schliesslich wieder in Bad Wildungen. Dort wurde er schliesslich am 19. Juni 2020 während seiner Schicht in der Klinik festgenommen. Seitdem sitzt M. aufgrund von Fluchtgefahr in Untersuchungshaft.
Die Verhandlung wird am kommenden Dienstag um 10 Uhr fortgesetzt. Dann will sich der verheiratete Vater zweier kleiner Kinder, wie eingangs erwähnt, ausführlich zu den Tatvorwürfen äussern.
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