Härte oder Entspannung? Baerbocks Reise nach Moskau zeigt die aussenpolitischen Bruchstellen der neuen deutschen Regierung

Die deutsche Aussenministerin will im Konflikt an der russisch-ukrainischen Grenze vermitteln. Während Baerbock Sanktionen gegen Putin nicht ausschliesst, will die SPD Russland nicht vor den Kopf stossen.

Die deutsche Aussenministerin Annalena Baerbock legt in Kiew am Denkmal für die Toten des Umsturzes von 2014 Blumen ab.

Die deutsche Aussenministerin Annalena Baerbock legt in Kiew am Denkmal für die Toten des Umsturzes von 2014 Blumen ab.

Janine Schmitz / Photothek / Imago

Am Montag brach die deutsche Aussenministerin Annalena Baerbock zu ihrer bisher schwierigsten Mission auf. Erst sprach sie in Kiew mit dem Aussenminister, später auch mit dem Präsidenten der Ukraine, am Dienstag wird sie in Moskau den russischen Aussenminister Sergei Lawrow treffen. Russland zeigt sich mit Truppenaufmärschen an der Grenze als territorialer Aggressor, die Ukraine erhofft sich Unterstützung vom Westen. Baerbocks Zwei-Tage-Trip klingt nach Pendeldiplomatie und ist angesichts des schwindenden aussenpolitischen Einflusses Europas im Allgemeinen und Deutschlands im Besonderen vor allem ein innenpolitischer Balanceakt. Die SPD, die Grünen und die FDP sind sich uneins, wie mit Russland zu verfahren sei.

Es klang gönnerhaft, als in der zurückliegenden Woche im Deutschen Bundestag Baerbock ihr aussenpolitisches Programm vorstellte und danach ein sozialdemokratischer Abgeordneter erklärte: «Olaf Scholz kann Europa. Deshalb können wir auch in dieser Koalition, auch mit dieser Aussenministerin Europa voranbringen.» Nur die SPD applaudierte. Baerbock selbst hatte sich zuvor dazu bekannt, auf der «Grundlage einer klaren Wertevorstellung die Interessen Deutschlands und Europas in der Welt vertreten» zu wollen. Im Falle Russlands sprach sie im Wahlkampf von einer Mischung aus Dialog und Härte.

Wenige Transatlantiker in der SPD

Unmittelbar vor dem Abflug nach Kiew präzisierte sie, Deutschland sei «entschlossen zu reagieren, wenn Russland den Weg der Eskalation geht». Die «Liste der Konfliktthemen, über die wir zu sprechen haben», sei lang. Die Ostsee-Pipeline Nord Stream 2, die Baerbock im Gegensatz zur SPD kritisch sieht, erwähnte sie nicht. Nach ihrem Treffen mit dem ukrainischen Aussenminister Dmitro Kuleba wiederholte sie am Montagmittag die in der EU abgestimmte Formulierung, Russland werde für jede weitere Aggression einen hohen Preis bezahlen. Man trete in einen «ernsthaften Dialog» mit Russland, liege einstweilen aber «meilenweit» auseinander. Die Souveränität der Ukraine sei nicht verhandelbar.

Kein Land, so Baerbock, habe «das Recht, einem anderen Land vorzuschreiben, in welche Richtung es gehen, welche Beziehungen es haben und welche Bündnisse es eingehen darf». In Moskau könnte man diesen Satz als Ermunterung an die Ukraine deuten, sich verstärkt dem Westen, womöglich gar der Nato anzuschliessen. Deutschland setze auf die OSZE und auf unterschiedliche Gesprächsformate, etwa das Normandie-Quartett gemeinsam mit Frankreich und den beiden Kontrahenten, um die Sicherheit der Ukraine «am Dialogtisch» garantieren zu können: «Es ist wahnsinnig schwierig. Es gibt nicht diese eine Zaubertür, die man öffnen kann, und dann ist die Krise gelöst.» Es gelte unterschiedliche Fenster zu öffnen. Waffenlieferungen schloss sie mit dem Verweis auf «unsere Geschichte» aus. Energiepolitisch wünscht sich die Ministerin eine engere Zusammenarbeit und kündigte die Eröffnung eines «Büros für Wasserstoff-Diplomatie» in Kiew an.

Ein Nasenstüber für Baerbock

Präziser wurde Baerbock wohl auch deshalb nicht, weil die Sympathien für Russland in der SPD tief verankert sind. Lupenreine Transatlantiker findet man in der Partei Willy Brandts kaum. Zwei aktuelle Wortmeldungen verdeutlichen dieses vorauseilende Verständnis. Klaus von Dohnanyi, einst Erster Bürgermeister von Hamburg und Staatsminister im Auswärtigen Amt, gab dem Nachrichtenmagazin «Focus» ein bemerkenswertes Interview.

Nötig seien «geduldige Verhandlungen» mit Putin, sagte er. Europa brauche eine «eigene Meinung in der Ostpolitik», um dem Eindruck entgegenzuwirken, ein Vasall der USA zu sein. Sanktionen lehnt von Dohnanyi ab, sie dienten lediglich der innenpolitischen Befriedung. Die Aussenministerin bekam einen Nasenstüber: «Frau Baerbock wird erfahren, dass für viele Staaten die moralischen Aspekte, die sie für richtig hält, nicht im Vordergrund stehen.»

Dass die Frage von Krieg oder Frieden auch andere als moralische Aspekte hat, ist nicht unter allen Sozialdemokraten Gemeingut. Der Bundestagsabgeordnete Ralf Stegner beklagt eine «beunruhigende Tonlage in den meisten Kommentaren zur Aussenpolitik». Statt «Sanktionsspiralen» und deutschen Waffenlieferungen an die Ukraine seien «Diplomatie und Entspannung dringend vonnöten».

Was will Olaf Scholz?

Der ukrainische Botschafter in Deutschland fordert, seinem Land «mit notwendigen Defensivwaffen dringend unter die Arme zu greifen». Vor diesem Hintergrund verliert die deutsche Verhandlungsposition an Stärke, wenn in der Partei des Kanzlers offen darüber spekuliert wird, die Nato in einer «gesamteuropäischen Friedensordnung» durch eine «pluralistische Sicherheitsgemeinschaft» zu überwinden. Dieser Phantasie gibt sich Rolf Mützenich hin, der Fraktionsvorsitzende der SPD im Bundestag.

Olaf Scholz hält sich viel darauf zugute, dass die Leitlinien der Aussenpolitik im Kanzleramt bestimmt werden. Baerbock gab er auf den Weg mit, die territoriale Integrität der Staaten müsse ungefährdet bleiben. Von konkreten Sanktionen war nicht die Rede. In Moskau könnten die neue deutsche Aussenpolitik und die Werteorientierung der «Ampel» ihre Feuertaufe erleben. Dort wird sich zeigen, was von Baerbocks drohenden, aber unpräzisen Kiewer Worten zu halten ist und wer sich von ihr an den «Dialogtisch» bitten lässt.

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