So wird das Weltraum-Jahr 2022

Raumfahrt-Fans können sich auf Raketen-Premieren, den ersten europäischen Mars-Rover und den Abschuss eines Asteroiden freuen.

Das Weltraum-Jahr 2022 hätte eigentlich mit einem Knaller beginnen sollen. Im Jänner hätte laut Plan erstmals das Starship von SpaceX zu einem Testflug in den Orbit abheben sollen, wie CEO Elon Musk im vergangenen Jahr angekündigt hatte. Wegen noch ausstehenden Ergebnissen einer Umweltprüfung durch die US-Luftfahrtbehörde FAA wurde der Start nun auf März verschoben.

Die größte Rakete der Welt soll alles bisher dagewesene in den Schatten stellen. Im August wurde das Starship erstmals auf seine erste Stufe, den Super Heavy Booster, montiert. Das 120 Meter hohe Konstrukt soll mehr Fracht denn je am Stück in den Weltraum bringen können und laut Musk die Zukunft der Menschheit als interplanetare Spezies einläuten. Vor dem ersten Flug hält der SpaceX-CEO die Erwartungen aber niedrig und spricht davon, dass dieser wahrscheinlich nicht erfolgreich verlaufen wird. Ein Spektakel wird der Start auf jeden Fall.

Entfaltetes James Webb Weltraumteleskop

Am 25. Jänner hat das James Webb Weltraumteleskop seinen Orbit um den Lagrange-Punkt 2 auf der sonnenabgewandten Seite der Erde erreicht. Die Phase bis dahin war für das nunmehr größte Weltraumteleskop der Menschheit besonders kritisch, weil sich das ganze Konstrukt in 50 Schritten entfalten und in seine endgültige Form bringen musste.

Nach den überstandenen kritischen Tagen kann das Teleskop aber noch nicht gleich seine Arbeit aufnehmen. 2 bis 3 weitere Monate wird es dauern, bis die Bordinstrumente auf ihre Betriebstemperatur von -233 Grad Celsius abgekühlt sind.

Erster Flug für Milliarden-Projekt SLS

Im Februar sollte das Space Launch System (SLS) eigentlich seinen ersten Testflug ins All absolvieren. Der Start wurde bereits auf Ende März verschoben. Die Rakete soll die leere Orion-Raumkapsel an ihrer Spitze nicht nur in den Orbit befördern, sondern gleich einmal auf eine Umlaufbahn um den Mond. Das ist auch das große Ziel des Transporters, der speziell für das Artemis-Programm der NASA entwickelt wurde.

Das mittlerweile ein Jahrzehnt alte Projekt hat sein Budget um ein Vielfaches übertroffen. Über 20 Milliarden Dollar wurden in die Rakete gesteckt, was von Rechnungsprüfer*innen für heftige Kritik sorgte. Außerdem gab es eine Reihe von Pannen bei Tests, durch die der Start verzögert wurde.

Castingshow-Gewinner*in auf der ISS

Ebenfalls Ende März wird die Mission Ax-1 von Axiom Space gestartet. Eine 4-köpfige Crew wird an Bord einer SpaceX Crew-Dragon-Kapsel zur ISS gebracht, um dort im Auftrag von Partnerfirmen Experimente durchzuführen.

Das Raumfahrtunternehmen Axiom Space will damit seinen langfristigen Plan bewerben, die erste rein kommerzielle Raumstation im Orbit zu errichten. Im letzten Quartal 2022 soll laut Plan die Mission Ax-2 folgen. Angeführt von der mehrfach ins All geflogenen Astronautin Peggy Whitson soll u.a. eine Privatperson zur ISS mitfliegen, die bei der TV-Castingshow “Who wants to be an Astronaut?” des Discovery Channel als Siegerin bzw. Sieger hervorgeht.

Vorarbeiten für die Mondlandung

Irgendwann zwischen erstem Quartal und Mitte 2022 sollten 2 Landefähren am Mond aufsetzen, die im Rahmen des NASA-Programms Commercial Lunar Payload Services (CLPS) gestartet werden. Den Beginn machen wird die Landefähre Nova-C des Unternehmens Intuitive Machines, die an Bord einer SpaceX Falcon-9-Rakete losgeschickt wird. Danach wird die Landefähre Peregrine von Astrobotic aufsetzen. Beide Landegeräte sind mit mehreren NASA-Instrumenten bestückt und sollen Forschungs-Vorarbeiten für die nächste Landung eines Menschen am Mond im Rahmen des Artemis-Programms leisten.

Gemeinsam mit Nova-C wird DOGE-1 zum Mond gebracht. Der Orbiter wurde alleine mit der Kryptowährung Dogecoin finanziert.

Erweiterung der chinesischen Raumstation

Tiangong, die neben der ISS einzige andere Raumstation der Erde, wird 2022 deutlich größer werden. Derzeit besteht die Station, die seit Juni 2021 eine zumindest 3-köpfige permanente Besatzung aufweist, nur aus einem Modul. Das Kernmodul Tianhe soll 2022 um 2 noch größere Labor-Module erweitert werden.

Das erste davon, Wentian, soll irgendwann zwischen Mai und Juni 2022 an Bord einer Rakete des Typs Langer Marsch 5B gestartet werden. Das zweite, Mengtian, wird zwischen August und September folgen.

Tiangong, der chinesische “himmlische Palast”, soll vor allem wissenschaftlichen Zwecken dienen, aber auch der Welt und der eigenen Bevölkerung Chinas Ambitionen im Weltraum demonstrieren. Seit Dezember übertragen die Taikonaut*innen an Bord regelmäßig wissenschaftliche Lektionen per Live-Stream.

Erforschung des Eisen-Asteroiden Psyche

Am 1. August 2022 soll die NASA-Raumsonde Psyche mit einer SpaceX Falcon-Heavy-Rakete zum Asteroiden Psyche starten. Das Objekt im Asteroidengürtel mit einem mittleren Durchmesser von 226 Kilometer ist besonders interessant, weil es einen sehr hohen Metallanteil hat. Es könnte sich um den Rest eines Planetenkerns handeln, der von einer Kollision übrig blieb. Durch seinen enormen Eisenanteil wurde der Wert des Asteroiden auf 10.000 Billiarden Dollar geschätzt.

Bei der Mission kommt erstmals “Deep Space Optical Communication” zum Einsatz, das heißt Daten werden per Laser übertragen. Gegenüber Funk soll dies eine größere Übertragungsbandbreite ermöglichen. Gemeinsam mit der Raumsonde Psyche werden die beiden kleineren Sonden Janus A und B losgeschickt, um den Asteroidengürtel zu erforschen.

Der erste europäische Mars-Rover

Am 20. September sollte die Mission ExoMars 2022 starten. Mit einer Proton-Rakete wird der zweite Teil der Russisch-europäischen ExoMars-Mission gestartet. Der erste Teil, der Trace Gas Orbiter, umkreist bereits seit 2016 den roten Planeten. Das Absetzen der Landefähre Schiaparelli misslang damals.

Mit Rosalind Franklin soll nun erstmals ein europäischer Rover auf dem Mars abgesetzt werden. Transportiert wird er von der russischen Landefähre Kasatschok. Rosalind Franklin wird um einiges kleiner sein als die NASA-Rover Curiosity und Perseverance, aber ab 10. Juni 2023 mit einer Vielzahl an Instrumenten sein Bestes tun, um den Boden des Mars zu erforschen.

Jupitermond-Europa aus der Nähe

Die NASA-Raumsonde Juno, die seit Juli 2016 in einem stark elliptischen Orbit den Jupiter umkreist, wird 2022 dem Mond Europa näher denn je kommen. Im Februar wird der Abstand 47.000 Kilometer betragen, Ende September dann bei einem Vorbeiflug gar nur 355 Kilometer. Die Instrumente von Juno können dabei den bisher genauesten Eindruck von der Oberfläche des Mondes gewinnen.

Europa ist für die Weltraumforschung besonders interessant, weil unter seiner dicken Eiskruste ein flüssiger Ozean sein soll. Dort könnte an hydrothermalen Quellen, ähnlich wie auf der Erde, Leben entstanden sein.

Test für planetare Verteidigung

Zwischen 26. September und 2. Oktober soll die Raumsonde DART absichtlich mit dem Asteroiden Dimorphos kollidieren. Ziel des “Double Asteroid Redirection Test” ist es, zu überprüfen, ob man die Flugbahn von Asteroiden durch gezielte Abschüsse verändern kann – etwa um künftig Zusammenstöße mit der Erde zu verhindern.

Die am 24. November 2021 gestartete Sonde DART wird laut Plan auf den 160 Meter breiten Asteroiden Dimorphos treffen. Dieser soll dadurch so abgelenkt werden, dass auch der in der Nähe fliegende größere Asteroid Didymos (780 Meter breit) seine Flugbahn verändert. Ob dies eintrifft, wird man mit Teleskopen von der Erde aus beobachten können. Ein kleiner italienischer Cubesat namens LICIACube wird Aufprall und unmittelbare Folgen festhalten.

5 Jahre später soll dann die ESA-Raumsonde Hera bei Didymos eintreffen und Langzeit-Folgen des Aufpralls untersuchen.

Kosmonaut*innen im Crew Dragon

Frühestens im Oktober könnte es erstmals soweit sein, dass ein russischer Kosmonaut bzw. eine Kosmonautin an Bord einer SpaceX Crew-Dragon-Kapsel zur ISS fliegt. Roskosmos-Chef Dimitri Rogosin hat im Oktober 2021 bekannt gegeben, die Raumkapsel nach mehrfachem Einsatz nun für sicher genug zu halten. Nachdem US-Astronauten jahrelang nur mit russischen Sojus-Kapseln zur ISS fliegen konnten, könnten Russisch-amerikanische Crews künftig möglicherweise abwechselnd mit Crew Dragon und Sojus transportiert werden. Die erste Möglichkeit für einen Mitflug in der Crew Dragon würde sich mit der Mission Crew-5 ergeben, die für 25. Oktober 2022 angesetzt ist.

Partielle Sonnenfinsternis

Am 25. Oktober wird es über Europa und Russland eine partielle Sonnenfinsternis geben. Zu Mittag wird die Sonne teilweise vom Mond verdeckt werden. Den höchsten Abdeckungsgrad wird man in Russland wahrnehmen können. In Österreich wird die Sonne lediglich zu rund 30 Prozent verdeckt sein, aber immerhin.

Erster Flug für Ariane 6

Die europäische Trägerrakete Ariane 6 soll irgendwann Ende 2022 ihren ersten Flug ins All absolvieren. Das Produkt von Arianespace soll Europas Antwort auf die Falcon 9 von SpaceX sein. Sie wird zwar nicht wiederverwendbar sein wie Elon Musks Rakete, soll aber eine ähnlich günstige Beförderung von Satelliten in den Orbit ermöglichen. Die Rakete wird in 2 Ausführungen (mit 2 oder 4 Boostern) erhältlich sein und maximal 20 Tonnen Fracht in den niedrigen Erdorbit transportieren.

Erster Flug für New Glenn

Frühestens im letzten Quartal 2022 will Blue Origin, das Raumfahrtunternehmen von Amazon-Gründer Jeff Bezos, seine neue Rakete New Glenn erstmals in den Weltraum schicken.

Während sich Blue Origin mit seiner New-Shepard-Kapsel dem Weltraum-Tourismus mit ballistischen Flügen über die Karman-Linie widmet, soll New Glenn eine große Trägerrakete werden, die bis zu 45 Tonnen Fracht in den Low Earth Orbit bringen kann. Wie bei Konkurrent SpaceX soll die erste Raketenstufe wiederverwertbar sein und nach dem Start selbstständig auf einer schwimmenden Plattform im Meer landen.

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