Das neue Berliner Wohnungsbündnis hat am Freitag anders als geplant keine Erklärung über die gemeinsamen Ziele veröffentlicht. Bei dem Treffen von Wohnungsunternehmen und Mietern, Gewerkschaften, Bauindustrie sowie Senat und Bezirken forderten einige Teilnehmer Korrekturen. Im Kern gibt es geteilte Meinungen dazu, ob vor allem durch Neubau die Krise am Berliner Wohnungsmarkt zu lösen ist und wie groß die Zugeständnisse an die private Wohnungswirtschaft sein dürfen.
Dürftig waren deshalb auch die Ergebnisse des Bündnisses. Beschlossen wurde die bereits zuvor angekündigte „Senatskommission“ zur Lösung von Konflikten bei festgefahrenen Bauvorhaben. Zudem werden Fachleute in drei neue Arbeitsgruppen berufen, die Vorschläge zur Beschleunigung von Neubau und Sanierung, zur Bremsung der Mietenentwicklung sowie für eine „Qualitätsoffensive“ im Städtebau unterbreiten sollen. Ferner soll der Fortschritt bei den 300 wichtigsten Bauvorhaben eng begleitet werden – und bei Verzögerungen politische Hilfestellung geleistet werden.
Zuvor hatte das Vorgehen der Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) bei verschiedenen Teilnehmern für schwere Irritationen gesorgt. Kritisiert wurde, dass aus dem Papier mit gemeinsamer Absichtserklärung am Donnerstag schon vom Tagesspiegel zitiert worden war, bevor Teilnehmer es jemals zu Gesicht bekommen hatten. Auch der Tagesspiegel hatte berichtet. Giffey soll sich dafür in der Runde am Freitag entschuldigt haben, berichten Teilnehmer. Andere wollen ihre Worte nicht als Entschuldigung verstanden haben.
Auch Giffey selbst widersprach: „Weder gab es Streit, noch habe ich mich entschuldigt“, sagte die Regierende Bürgermeisterin am Sonnabend dem Tagesspiegel. „Es gibt dafür gar keinen Grund. Wer anderes behauptet, sagt die Unwahrheit.“ Der Entwurf der Absichtserklärung war bereits am Donnerstagabend an die Teilnehmer verschickt worden.
Der Auftakt zum Bündnis war begleitet von Protesten vor dem Roten Rathaus von Aktivisten des Mietenvolksentscheids, die Bausenator Andreas Geisel (SPD) „Hinterzimmerdeals mit Lobbyisten der Immobilienwirtschaft“ unterstellen. “Wir werden nicht zulassen, dass unser Volksentscheid in Geisel-Haft genommen wird”, sagte der Mitinitiator des Volksentscheids “Deutsche Wohnen &Co enteignen”, Rouzbeh Taheri. Das Gespräch mit der von “mehr als einer Million Berliner” durch ihre Abstimmung zugunsten der Enteignung Initiative unterstützen Bündnisses verweigere der Senator.
Geisel hatte vor dem Runden Tisch von einer Bereitschaft der Branche auf Mietverzichte für eine Dauer von fünf Jahren berichtet. Dieser Vorstoß war in politischen Kreisen als Versuch gewertet worden, dem Volksentscheid den Wind aus den Segeln zu nehmen. Am Freitag nahm auch Vonovia-Chef Rolf Buch an dem Bündnis-Treffen teil. Anschließend sagte ein Konzernsprecher dem Tagesspiegel: „Fünf Jahre Begrenzung von Mieterhöhungen gehen wir gerne mit.“ Der Konzern habe Mietsteigerungen bereits begrenzt im Vorfeld der Fusion mit der Deutschen Wohnen.
Heimstaden: „Auftakt für neues Miteinander am Wohnungsmarkt gelungen“
Wie weit der Senat dafür der privaten Wohnungswirtschaft entgegenkommen wird, ist umstritten in der rot-grün-roten Koalition. Die Sprecherin für Wohnen und Mieten der Grünen Katrin Schmidberger sagte: „Wir müssen beim Neubau gewährleisten, dass dieser für die Berliner*innen leistbar und bedarfsgerecht ist, sonst hilft er nicht.“ Gemeinwohlorientierte Unternehmen brauchten mehr Unterstützung als private Firmen wie Vonovia.
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In der Immobilienbranche zeigte man sich erfreut über das Treffen. Der Immobilienkonzern Heimstaden teilte mit, er begrüße das konstruktive Gesprächsklima. „Es freut uns sehr, dass der Auftakt für ein neues Miteinander am Berliner Wohnungsmarkt gelungen ist“, ließ sich Deutschland-Geschäftsführerin Caroline Oelmann zitieren. Der neue Senat habe „sein Versprechen eingelöst, alle wichtigen Akteure der Wohnungswirtschaft an einen Tisch zu holen“ und dabei nicht nur Verbände, sondern auch private Wohnungsunternehmen einzubeziehen.
Mieterbund kritisiert Fokus auf Neubau
Bereits im Vorfeld hatte es Kritik an dem Format aus Kreisen von Parlamentariern der Regierungsfraktionen gegeben. Die Friktion verläuft zwischen der Neuauflage der Baupolitik von Senator Andreas Geisel (SPD) durch einen Schulterschluss mit der Bauwirtschaft und nach dem Hamburger Vorbild sowie einer stärker auf die Erweiterung des landeseigenen Wohnungsbestandes und den Mieterschutz fokussierten Politik.
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Gegen Geisels vorrangig auf Neubau gerichtete Politik hatte sich am Donnerstag der Berliner Mieterverein positioniert. Der warnte vor einem „einseitig neubaufixierten Blick auf die Hamburger Wohnungspolitik“. Der Runde Tisch in Hamburg war von Senatsmitgliedern wiederholt als Vorbild genannt worden. Neubau allein „hilft uns in Berlin schon wegen der schwierigeren sozialen Situation nicht weiter“, sagte Geschäftsführer Reiner Wild.
Er stellte am Donnerstag eine Studie zu den beiden Wohnungsmärkten in Hamburg und Berlin vor. Bilanz des Mieterchefs: „Trotz vielfältiger Neubauaktivitäten in Berlin und Hamburg ist die Versorgung der Menschen mit Wohnraum weiterhin schlecht, in Hamburg trotz stärkerer Neubauaktivitäten sogar noch schlechter als in Berlin.
Ganz anders positionierte sich der Präsident des Vereins Berliner Kaufleute und Industrieller (VBKI), Markus Voigt. „Der Schlüssel zu ausreichend bezahlbarem Wohnraum liegt im Neubau – und wir alle halten diesen Schlüssel in unseren Händen“, teilte er nach dem Treffen am Freitag mit. Er rief dazu auf, das Format zu nutzen, um miteinander statt übereinander zu reden, und kritisierte: „Kaum aber nimmt der lange ersehnte Runde Tisch feste Formen an, werden schon wieder alte Gräben aufgemacht.“ Voigt: „Ideologisch durchwirkte Mindsets und lautes Sich-In-Stellung-Bringen außerhalb des Runden Tisches bilden keinen geeigneten Rahmen, um zu gemeinsamen Lösungen zu kommen.“
In einer früheren Version des Textes stand in der Überschrift, dass Franziska Giffey sich bei den Teilnehmern entschuldigt habe – nachdem es Widerspruch dazu aus Teilnehmerkreisen gab, haben wir entschieden, die Überschrift zu verändern.
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